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bite the hand that feeds you.
Eine Insel In Der Zeit
DE/CU 2025
Dokumentarfilm, 35min
Identitätssuche in der amerikanischen Provinz: „Eine Insel in der Zeit“ ist die ungeschönte Bestandsaufnahme der inneren Zerrissenheit meines Protagonisten Luís, reflektiert von einem Land, das ebenso wenig weiß, wohin es gerade steuert.
Der junge, kubanische Tänzer Luís emigriert illegal in die USA auf der Suche nach dem besseren Leben im Kapitalismus, in dem er seine Karriere als Drag Queen zu verwirklichen träumt. Er strandet am Stadtrand von Memphis.
Dort angekommen, trifft er auf seine langjährigen kubanischen Freunde* Elisabeth und Mosito, beide Teil der lokalen queeren Community. Zusammen bilden sie ein herzliches Trio, und die beiden ehemaligen Drags - kubanisch „Transformistas“ - unterstützen Luís mit tollen Ratschlägen in allen möglichen Lebenslagen. Elisabeth hat bereits ein privates Frisörstudio, in dem täglich tiefgreifende und sehr laute Gespräche über Sozialismus, Kapitalismus, Gender, Nationalität und Haar-Extensions geführt werden. Und darüber, dass sie als Drags von ihrer eigenen homosexuellen Community diskriminiert werden. „Dabei ist Drag eine Kunstform“, verteidigt Luís seine Valentina, die Figur, die er auf der Bühne verkörpert. Als Luís Mutter damals in Kuba von Valentina erfuhr, schmiß sie ihn zuhause raus mit den Worten, er sei nicht mehr ihr Sohn. „Dank Valentina bin ich hier“ erklärt Luís, sie hat ihn motiviert, sich auf eine mehrwöchige und lebensgefährliche Flucht in die USA zu machen.
Luís findet einen Boyfriend und wischt Tische bei Wendy‘s Diner oder in einem Resort für Latinos. Insgesamt herrscht wenig Glamour. Einmal hat Luís einen Auftritt in einer kleinen Latino-Bar. Er performt grandios - vor nur vier Gästen. Er streitet sich mit seinem Freund, fliegt raus. „Ohne Freund kommst du hier nicht weit, reiß dich mal ein bisschen zusammen“, ermahnt ihn Elisabeth.
Das Glück scheint schwer zu finden. Das Gold liegt nicht auf der Straße. Alle reden von Miami, dem kubanischen Exilparadies, dort sei alles besser.
Glanz und Elend des Kapitalismus zeigen sich Luìs immer wieder in schönster Brutalität: In einem hektargroßen Perückenladen verliert er sich in den Gängen ob der tausend Varianten. Es gibt alles! Aber Luis kann sich nichts leisten. Auf den Straßen gibt es nur Autos, keine Menschen. Als Ursprungsort von FedEx ist Memphis komplett durchkreuzt von Gleisen - und der Himmel voller Flugzeuge. Ein Ort des Transits. Die Güterzüge schneiden sich durch Luís ´ Hinterhof, schrill und höllisch vibrierend zugleich arbeiten sie durch seinen Kopf - und durch den Film. Das Gefühl eines merkwürdigen Stillstands, obwohl sich alles um ihn herum bewegt.
Nachts schleichen sich erlösende Erinnerungen an Havanna in Luís Träume: Die Straßen sind voller Menschen, Gemeinschaft und Zärtlichkeit - alle tanzen und sind glücklich! Erinnerungen sind oft trügerisch, das weiß auch Luís, aber vielleicht helfen sie beim Überleben und Kraftschöpfen. Beim Videocall mit seiner Mutter in Kuba, die ihn nach Geld fragt, bricht er in Tränen aus. Es geht nicht vorwärts, es geht nicht zurück! Nach Kuba kann er nicht - da kommt er gerade her; dort gibt‘s keinen Strom, nichts zu essen und keine Zukunft, deshalb ist er doch gegangen! „Kuba ist eine Insel in der Zeit“, sagt Luís. Stehengeblieben. Doch fühlt sich Amerika so viel anders an, wenn man als Migrant keine Möglichkeit hat, mitzuhalten?
Luís scheint immer orientierungsloser, verloren im Transit. Das ist also der Amerikanische Traum? „Der ist nur für jene, die kämpfen können“, belehrt ihn Carmen, eine pfiffige Mexikanerin, die schon seit fast 20 Jahren in den USA lebt und regelmäßige Kundin in Elisabeth’s Haarstudio ist.
Für Luís ist alles wie im Alptraum, ein Highway, der in die Dunkelheit führt. David Lynchs Amerika: Grotesk, fremd, unheimlich.
Luís will Valentina aufgeben, er hat keine Kraft mehr für sie. „Die Show ist für uns alles, nur durch sie leben wir!“ motiviert ihn Mosito, ein begnadeter Tänzer, der tagsüber kellnert und immer alles besser weiß. Im Bademantel proben Luís und Mosito Valentinas Nummer vor der Haustür. Sie sind die einzigen auf der Straße. Ein fröhliches Gefühl von Tanz und Aufbruch liegt in der Luft. Auch wenn das Herz dabei bricht. Luìs’ große Karriere als „Transformista“ - als Drag Queen - liegt vielleicht doch noch vor ihm: in Miami.